Glückliche Tage in Tubbercurry
Glückliche Tage in Tubbercurry
Gerda Evers gehört zu den ältesten und treuesten Mitgliedern unserer Lutherischen Kirche.
Immer wieder höre ich ihr gerne zu, wenn sie mir die alten schwarz-weiss Fotos zeigt und von einer längst vergangenen Zeit erzählt. Einiges davon habe ich hier nun gerafft und gebündelt aufgeschrieben. F.G.Mayer
Wie der Zufall so Schicksal spielt! Ein Inserat in einer Hamburger Zeitung, das einen Tischler für eine Firma in Tubbercurry suchte, brachte Gerda Evers mit ihrem Mann Hans, dem 12jährigen Sohn Rainer und ihrem Bruder Hans 1952 in einen kleinen Ort im County Sligo.Eine Firma dort hatte deutsche Machinen gekauft und niemand verstand, sie betreiben. Tubbercurry liegt ungefähr eine halbe Autostunde von Sligo entfernt und war ein Stück irisches Paradies, in dem sich die Evers schnell wohlfühlen konnten.
Freundlich und hilfsbereit begegneten die Einheimischen der deutschen Familie, die immer wieder Verwunderung auslöste. Heiterkeit kam auf ,wenn Gerda Evers ihre Betten zum Lüften aus den Fenstern hängte…. “The Germans are hanging the beds out of the windows….” Dass Teppiche auf extra montierter Klopfstange und mit einem selbst gebastelten Teppichklopfer behandelt wurden, war neu. Auch dass das grüne Zeug, das bald im Everschen Gemüsegarten wuchs und Salat oder Blumenkohl genannt wurde, essbar war, wollte sich niemand antun. Warum genügte einem nicht Karotten, Steckrüben und Kohl? Auch das Wäschewaschen mit Waschkessel und Ruffel rief Erstaunen hervor, natürlich auch,wenn dann die Wäsche in Reih und Glied wohlgeordnet auf der Leine hing…. “Come and see, the Siegfried line!”
Stores-Vorhänge konnte man nirgendwo kaufen, so erwarb Gerda Evers sich Stoffstreifen aus Scheibengardinen und nähte diese zu Vorhängen zusammen. So waren die Evers eine Attraktion für Tubbercurry und eine über 90Jährige,die nie anderen als Iren in ihrem langen Leben begegnet war, freute sich so an ihrem Geburtstag “die Deutsche” jetzt auch gesehen zu haben. Bei solchen und anderen Gelegenheiten durfte der selbstgebrannte Schnaps nicht fehlen,derzur frohen Stimmung hinzugehörte. “You can’t stay in this country without poutsin! “
Umgekehrt war auch für die Familie Evers vieles verwunderlich und neu.Bei den grossen Stränden sieht man nie einen Iren schwimmen! Wie langsam die Züge fahren, vielleicht wegen den vielen ungesicherten Übergängen? Warum steht eigentlich beim Schlachter der Fleischklotz, auf dem das Fleisch gehackt wird, auf dem Gehweg vor dem Geschäft und was sollen die Sägespäne unter dem offen hängenden Fleisch ? Viele Fragen, die bald beantwortet werden konnten.
Nach kurzer Zeit hatten die Evers Freunde gefunden. Auch der katholische Ortsgeistliche Fr.McGarry hatte sich sehr um sie gekümmert. Besonders am ersten Weihnachten wurden sie zur Gemeindefeier eingeladen und sie sangen den andächtig lauschenden Einheimischen ihr deutsches “Stille Nacht”, was sofort eine Zugabe zur Folge hatte, die in das nicht mehr ganz so weihnachtliche “Wo die Nordseewellen… “ mündete. Nirgendwo gab es einen Tannenbaum zu kaufen, in der freien Wildbahn musste man ihn sich selbst besorgen, jedes folgende Jahr erinnerte einen der Ortspolizist daran, ob die Evers Familie auch schon ihren Tannebaum sich geholt hätte. Das gleiche Problem gab es mit den dazugehörigen Kerzen. Es gab sie nicht zu kaufen. Zum Glück konnte Fr.McGarry mit den geweihten Kirchenkerzen aushelfen.
Es war eine gute und glückliche Zeit für die Menschen in Tubbercurry, auch wenn alles viel ärmer und einfacher war.
© Fritz-Gert Mayer, Lutherische Kirche in Irland